Von einem hohem kulturhistorischen Wert!
Derzeit wird die Rokoko-Kanzel der Martinskirche vom Team um Dipl.-Restauratorin Anke Becker in alter Technik wiederhergestellt / Einweihung an Pfingsten geplant
VON ROBERT LEHR
Was dem Wormser Dom St. Peter seine 5 neuen Glocken sind, ist St. Martin seine von Grundauf restaurierte Kanzel! Noch ist das Team um Dipl.-Restauratorin Anke Becker aus Herrnsheim vor Ort in der romanischen Kirche am Ludwigsplatz und parallel in ihrem Atelier in der Unteren Kämmererstraße vollauf damit beschäftigt, das Rokoko-Juwel in seinen Urzustand zu versetzen. Doch Pfarrer Maximilian Wagner freut sich angesichts der sichtbaren Fortschritte schon darauf, im Rahmen eines Hochamtes am Pfingstsonntag das wiedererstandene Schmuckstück mit einer Predigt von dort wieder seiner Bestimmung übergeben.
Für Wagner wie den Förderverein St. Martin ist laut dessen Homepage eine Restaurierung nach kunsthistorischen Gesichtspunkten notwendig. Die Kanzel, die beiden Seitenaltäre und die unter der Orgelempore an der Süd- und Nordwand der Kirche aufgestellten vier Holzfiguren der Evangelisten wurden laut Anke Becker aus dem 1802 aufgelösten Wormser Zisterzienserinnenkloster Maria Münster übernommen. Sie seien Mitte des 18. Jh. entstanden und Vertreter eines „bescheidenen, aber qualitätsvollen Rokoko“.
Am Tag des Offenen Denkmals im Jahre 2014 hatte Anke Becker am Beispiel der stark verschmutzten Kanzel erste Ergebnisse zu Konzept, Technik und Farbgebung der in St. Martin vorhandenen und sanierungsbedürftigen Ausstattungsgegenstände vorgelegt, nachdem sie eine gründliche Fotodokumentation erstellt, Teile der Zierelemente der Kanzel abgenommen und eine Teilfläche der Kanzelwand gereinigt sowie anschließend Farben und Vergoldung erneuert hatte.
Kosten in Höhe von ca. 60.000 Euro
Das Ergebnis dieses Restaurierungsversuchs habe den künstlerischen Wert der Kanzel als Teil der barocke Ausstattung der Martinskirche bestätigt, so Becker, und den Förderverein veranlasst, auch die Sanierung der Kanzel finanziell zu unterstützen. Durch die zusätzliche Unterstützung durch Spenden konnten nun zu Beginn dieses Jahres die ca. 60.000 Euro teuren Restaurierungsarbeiten beginnen.
Zum Team um Anke Becker gehören mit den Dipl.-Restauratorinnen Melanie Potschien aus Hochheim und Tanja Rossen aus Dittelsheim-Heßloch noch Elisabeth Ursprung aus Frankfurt, Restaurator Oliver Köhler und Praktikant Moritz Losem aus Bobenheim-Roxheim.
Zum Teil kennt man sich vom Studium oder früheren gemeinsamen Projekten. Aber allen ist gemeinsam, was Anke Becker zum Ausdruck bringt: „Es gibt nur wenige Projekte, die so interessant sind und auch unser fachliches Können herausfordern!“ Denn die üblichen Aufträge seien bei ihr z.B. hauptsächlich Restaurierungen von Bildern oder wie Melanie Potschien ergänzt, die von Möbeln. „Aber jeder von uns hat sein Spezialgebiete, und daher ergänzen wir uns bestens“, so die aus Kassel stammende Fachfrau, die ihr eigenes Atelier in Hochheim hat und deren Mann Michael Schäfer dort eine Möbel- und Inneneinrichtungs-Manufaktur betreibt. Hier handele es sich um ein Highlight im Raustaurierungsalltag, so Anke Becker, denn die Arbeiten werden mit traditionellem Handwerkskönnen in alter Technik realisiert.
Dazu seien zunächst die Spuren früherer Restaurationsversuche mit dicker Bronzefarbe und Ölvergoldung durch Abbeizen beseitigt worden. Dann wurden 3 bis 4 Schichten Kreidegrundierung aufgetragen, die Oberfläche dann glatt geschliffen worden, danach 2 bis 3 Schichten Tonerde aufgebracht, worauf das Blattgold gekommen sei, das wiederum mit einem Achatstein poliert wurde. „Das Blattglatt beträgt lediglich den 30.000ten Teil eines Millimeters“, unterstreicht Melanie Potschien, entsprechend vorsichtig werde es mit einem Pinsel aufgebracht. Rund 2.000 Euro hätten alleine dafür die Materialkosten betragen, ergänzt Anke Becker. Wenn man wisse, wie aufwändig alleine diese Arbeitsschritte seien, verstehe man auch das Zustandekommen der Kosten für eine solche Restaurierung.
Nibelungen Kurier | 5. Mai 2018 | Weitere Presse-Artikel